Teil 3
Bahnpolizei greift ein oder Harry,
hol das Scherenfernrohr
Untertitel: Schüsse aus dem Geigenkasten

Mit atemberaubender Geschwindigkeit rast die Draisine, angetrieben von den nahezu übermenschlichen Kräften zweier Bahnpolizisten, das Gleis entlang. Die Landschaft rechts und links des Gleisstranges ist für die Draisinenbesatzung nur noch schemenhaft zu erkennen. Aus dem Augenwinkel meint der geheime Bahnpolizeioberrat Heinz Stäppukattt mit 3 T am Ende den Bahnhof von Großmaischaid zu erkennen, der eine 1000stel Sekunde später schon wieder verschwunden ist.
 
Augenzeugen dieser Bahnhofsdurchfahrt geben später bei ihrer bahnpolizeilichen Vernehmung an, für Sekundenbruchteile seien ein kleiner und etwas später ein größerer schwarzer Schatten mit 2 weißen Punkten - wobei es sich wohl um die Dienstmützen der beiden Beamten gehandelt haben dürfte - zu sehen gewesen, in deren Sog die Petunien aus den Blumenkästen, die die Buntglasfenster der Großmaischaider Bahnhofsgaststätte " Zum fidelen Stationsvorsteher" malerisch umrankten, wie von Geisterhand herausgerissen und gegen die Verglasung des Stellwerkes geschleudert wurden, was der wortkarge und schmallippige Stellwerker Guido Schrock mit einem schlichten "Sauerei" kommentierte; nichtwissend, daß er damit der Wahrheit schon sehr nahe kam.
 
"Fertigmachen zum Abspringen!" kommandiert der alte Haudegen Heinz Stäppukattt. Sein Instinkt sagt ihm, daß es Zeit ist die Höllenfahrt zu beenden - der nächste Tatort ist erreicht. Der geheime Bahnpolizeioberrat Heinz Stäppukattt mit 3 T am Ende kann eben, wie eingangs von ihm selbst prognostiziert, Tatorte bahnkilometerweit riechen. "3-2-1- Absprung!" Wie Flugabwehrraketen surren die Körper der Draisinenbesatzung durch die Luft und kommen auf dem samtweichen Bett der Blumenwiese neben dem Bahnkörper leicht derangiert aber ansonsten wohlbehalten auf. Sofort robbt der Bahnpolizeioberrat den Bahndamm hoch und späht mit Adleraugen über die Schienenoberkante. "Harry, das Scherenfernrohr!". Wir wissen nicht wie Harry Katmirrzäkk es schafft, aber schon hat sein Chef das dienstlich angeforderte Scherenfernrohr in seiner Hand. Mit allerhöchster Vor- und Umsicht bringt der Bahnpolizeioberrat das Fernsichtgerät in Stellung und schon lugen die beiden Objektive, wie die Augen eines zu einem Riesen mutierten Insektes, über die Schienenoberkante.
 
Was das?? - Eine Fata Morgana? Pumps, lange wohlgeformte und zartbesprumpfte Beine, ein wehender Rock, pralle Brüste, blonde Haare, roter Schmollmund - "Marylin Monroe!" entfährt es dem ungläubig stammelnden Heinz Stäppukattt "Wo? Wo? Wo?" bellt Harry, hol den Wagen, Katmirrzäkk. Da erkennt der geheime Bahnpolizeioberrat seinen peinlichen Irrtum. Es hat die gegenüberliegende Plakatwand im Visier, auf der neben allerlei Erbaulichem wie Bier, Doornkaat und Autoradios auch für den Kinofilm "Das verflixte 7. Jahr" geworben wird. "Wo? Wo? Wo?" bellt wieder Harry hol den Wagen wild sabbernd mit hochgezogenen Lefzen. "Aus und Platz!" bringt der ehemalige Diensthundeführer Heinz Stäppukattt ihn dienstlich streng zum Verstummen.
 
Er richtet das Scherenfernrohr neu aus. Beim nächsten Blick gefriert ihm das Blut in den Adern. Er blickt direkt in ein gemein grinsendes mit mordlüsternden eng zusammenstehenden Augen und von riesigen Augenbrauen überwuchertes Gesicht, welches dem braven Bahnpolizisten von unzähligen Fahndungsplakaten nur allzu gut bekannt ist: Epiphanias Schmöck-Böck! ; aufgrund seiner unrühmlichen Vergangenheit in der französischen Fremdenlegion in Indochina von allen nur KongoMüller (geografisch versierte Leser mögen verzeihen) genannt, steckbrieflich gesucht wegen Pfarramtsanmaßung, Schwarzbrennerei, Roßtäuscherei, Subventionsschwindel, ungebührlichem Verhalten gegenüber Bahnpolizisten und diverser anderer Schand- und Übeltaten. Trotz intensivster Ermittlungsarbeit und wohl auch wegen fehlender Hinweise aus der Bevölkerung war es das Bahnpolizei bisher nicht gelungen diesem Individuum habhaft zu werden. Nicht einmal ein Fahndungsaufruf in der bekannten und beliebten Sendung "Die Bahnpolizei rät - Schweizer Kanton mit 3 Buchstaben?" hatte zu einem verwertbaren Ermittlungsansatz geführt.
"Das Versteck der Schwarzbrenner in Kleinmaischaid!" folgert blitzschnell das in jahrzehntelanger Ermittlungsarbeit geschulte Gehirn des geheimen Bahnpolizeioberrat mit der Präzision einer gut geölten Maschine. Während er noch über die Bedeutung des Geigenkastens nachdenkt, den KongoMüller in der Hand hält, offenbart sich auch schon dessen schreckliches Geheimnis. Aus dem Kasten entnimmt KongoMüller, mit den millionenfach geübten Handgriffen eines Legionärs, eine Winchester, Model 1873, läd durch, legt an und schießt. Aber worauf? Ein kleiner Schwenk des Fernrohres verschafft Klarheit. Hinter der Plakatwand schnüffelt dienstbeflissen Eber Hartmann, als das stählerne Projektil der Winchester in gefährlicher Nähe zu seinem Gemächt das Erdreich aufspritzen läßt. Mit einem gewaltigen Hechtsprung, den man sonst im Tierreich nur bei Großkatzen bewundern kann, bringt sich das amtliche Spürschwein hinter einer alten Badewanne, die dort entgegen allen bahnrechtlichen Vorschriften von Frevlern rechtswidrig entsorgt wurde, in Deckung. Nun reißt dem Bahnpolizeioberrat der bahnpolizeiliche Geduldsfaden. Nach all den Übeltaten nun auch noch ein Spürschwein, welches durch DB-Kekse weithin sichtbar und eindeutig als Hoheitsträger ausgewiesen ist, erschießen zu wollen - das ist Kollegenmord! befiehlt ihm der esprit de corps.
 
Der richtige Zeitpunkt um dem Schandbuben ein für alle mal den Gar auszumachen und den Bahnpolizeibezirk von seiner schlimmsten Geisel zu befreien.
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